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Krisen und Handlungsdruck - Klima vs. Corona

Die Coronakrise hat in 3 Monaten das geschafft, was Klimawissenschaftler in mehr als 30 Jahre nicht schaffen konnten. Und zwar, dass die Politik auf die Wissenschaft hört.
Die Berichte des Robert Koch-Instituts sind zu einer heiligen Schrift in der Coronakrise geworden.
Da es in der Coronakrise tatsächlich auch um die Frage zwischen Leben und Tod ging, wurden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch weitestgehend unstrittig eingeführt und anfänglich auch allgemein akzeptiert. In einer vor kurzem veröffentlichten Studie wurde gezeigt, dass der Corona-Lockdown  3.1 Millionen Todesfälle in Europa verhindert habe.

Die Klimakrise ist im Globalen Norden schon lange bekannt. Nicht umsonst wurde der Weltklimarat 1988 gegründet. Aber die Maßnahmen gegen den Klimawandel sind in Öffentlichkeit und Politik immer noch umstritten. Wenn es um die Eindämmung der Klimakrise geht, so ist dabei nicht die Rede von Leben oder Tod. Anders als bei den Corona Maßnahmen sind die Klimaschutzmaßnahmen  ein “wir sollten” und kein “wir müssen”. Der Green Deal ist eine “Chance” und wir sind Lichtjahre davon entfernt den wissenschaftlich fundierten “Rat” der EU-Kommission zu erreichen, der besagt, dass eine Reduktion von 55% der CO2 Emissionen bis 2030 erreichen “sollten”. Was wäre geschehen, wenn die Corona Maßnahmen nur auf Empfehlungen basiert gewesen wären und nur die Hälfte der EU Länder diese befolgt hätten?

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist Deutschland ein Klima-Weltmeister. Wenn wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde legen, so sieht es in der Realität ganz anders aus: Jeder Deutsche produziert  im Jahr 7.9 Tonnen CO2, während im Vergleich ein Tansanier nur 0.18 Tonnen, ein Marokkaner 1.64 Tonnen, ein Bolivianer 1.76 Tonnen und ein Paraguayer 0.96 Tonnen produziert. Das gleiche Muster zeichnet sich mit Bezug auf die <link https: openknowledge.worldbank.org handle>Müllproduktion und den <link https: data.worldbank.org indicator>Energieverbrauch ab. Warum also sind die Tansanier nicht die Klima-Weltmeister?

Hier stehen wir vor einer zentralen Handlungsproblematik der Klimakrise. Es ist offensichtlich, dass es wesentliche Unterschiede zwischen der Klimakrise und der Coronakrise gibt, welche es unmöglich machen, wirksame Klimaschutzmaßnahmen rechtzeitig einzuführen.

In der  Coronakrise sind die Folgen direkt spürbar und der Handlungsdruck war enorm: es ging um Tage, Wochen und Monate, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Im Gegensatz dazu, werden die Folgen der Klimakrise, aus der Perspektive des globalen Nordens, erst in 60 Jahren so dramatisch zu spüren sein. Diese Darstellung der Klimakrise wird durch die in Medien suggeriert. Hier ist die Rede von katastrophale Folgen der Klimakrise in 60 oder 100 Jahren, jedoch werden selten Folgen angesprochen, welche heute schon zu spüren sind. Im globalen Süden sind die Folgen des Klimawandels bereits viel dramatischer zu erleben.

Diese unterschiedlichen Zeitspannen in denen die Krisen sich zeigen haben starke Auswirkungen auf das politische Handeln. In der Coronakrise müssen sich die Entscheidungsträger*innen den Konsequenzen ihrer Handlungen stellen, da sie unmittelbare Folgen haben. Auf der anderen Seite zeigen die Handlungen der Entscheidungsträger*innen in der Klimakrise erst indirekte Folgen in einer abstrakten “entfernten” Zukunft, wodurch sie nicht direkt mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert werden können.

Außerdem gibt es einen wesentlichen Faktor in der Umsetzung der Klimamaßnahmen, welcher viel mit uns als Bürger*innen und unseren eigenen Entscheidungen zu tun hat. Es ist die Tatsache, dass die Klimaschutzmaßnahmen Angriffe auf unseren Lebensstil und auf unsere Statussymbole darstellen.

Letztere bilden einen wesentlichen Teil unserer Identität - sie sind in allen Kulturen verbreitet und für unser soziales Leben essentiell. Es kann der SUV, die schicke Kleidung, das Reisen, der Konsum von Kultur oder das große Haus oder es können die zahlreichen Dinge sein, die wir in unserem Haus “brauchen”.

In unserer Gesellschaft stellen genau diese Statussymbole das Gegenteil von Klimaschutz dar. Die Statussymbole unserer Konsumgesellschaft sind keine Ergebnisse unserer Natur, sondern das Resultat des Wirtschaftswachstums, der Strategie der <link https: www.oeko.de forschung-beratung themen konsum-und-unternehmen>geplanten <link https: www.umweltbundesamt.de sites default files medien publikationen texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf>Obsoleszenz, der gewaltigen Propaganda- und Werbebranche, die uns ständig mit Werbung von Wohlstand und Reichtum überhäuft.

Die gegenwärtigen Krisen, welche miteinander verwoben sind, werden durch unseren Lebensstil verursacht und reproduziert - von der Konsum- und Wegwerfgesellschaft, einer Globalisierung, welche auf möglichst billige Produktion abzielt und<link https: www.dw.com de a-46632549> unmenschliche Arbeitsbedingungen fördert und zu wenig Rücksicht auf die Natur nimmt.

Die Realität ist, dass prekäre Arbeitsbedingungen zur Normalität geworden sind. Die Reichen werden <link https: espas.secure.europarl.europa.eu orbis sites default files generated document en>reicher und die Armen ärmer und die Tatsache, dass die Menschen des globalen Südens (z.B. die Bananen-Arbeiter*innen) arm bleiben sind strukturelle Bestandteile des globalen wirtschaftlichen Systems.

Wir stehen vor der Möglichkeit zu entscheiden, wie wir die Krise überwinden wollen. Vielleicht entwickeln wir einen anderen Lebensstil und ersetzen den Konsum als Quelle des Glücks durch soziale, intellektuelle und spirituelle Entwicklung, soziale Bindungen, Engagement für Gerechtigkeit und Verantwortung in gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Wir können vielleicht auch weniger arbeiten und mehr Zeit mit Familie, Beziehungen, Gemeinschaftsarbeit, Entspannung und Freude an den kleinen und einfachen Dingen im Leben verbringen. Wir können  auch weniger Fleisch essen, den öffentlichen und nachhaltigen Transport fördern, weniger wegwerfen und eine zirkuläre Wirtschaft und regionale biologische Produktion fördern (indem wir z.B. regionale Produkte kaufen, auf Bauernmärkte gehen und auf Verpackungsmaterial verzichten).

Die Coronakrise hat uns gezeigt, dass es möglich ist, wenigstens ein Jahr ohne die Reise nach Griechenland, Portugal oder den USA zu überleben. Dass die Geschäftsmeetings auch online geschehen können und so Millionen Tonnen CO2 eingespart werden können. Gleichzeitig schenken wir uns damit mehr Zeit für unsere Familie und zur Entspannung. Die Krise zeigt uns, dass mehr soziale Gerechtigkeit notwendig ist. Die Coronakrise ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was die Klimakrise mit sich bringen kann. Sie ist auch ein Aufruf zum verantwortungsvollen Handeln und zum Engagement für mehr Gerechtigkeit in dieser globalisierten Weltgesellschaft.

Alejandro Ceballos 
BtE Referent - Er stammt aus Venezuela und ist schon seit über 10 Jahren in der Wissensvermittlung zu Natur und Umweltschutz tätig. Seine Haupthemen sind Klimawandel, Klimagerechtigkeit, Regenwald und lateinamerikanische Initiativen der Dekolonisierung.